Jan Weiler | Der Markisenmann

Spannend, humorvoll und dabei einfühlsam.

Kim ist fünfzehn und hat etwas Schlimmes angestellt. Das hat nichts mehr mit Teenager-Rebellion zu tun. Dafür musste sie sogar einige Zeit in die Psychiatrie für Jugendliche. Nun wird sie in den Ferien zu ihrem leiblichen Vater „abgeschoben“. Ihre Mutter, ihr Stiefvater und ihr Halbbruder machen während dessen Urlaub in Florida.

Ihren leiblichen Vater kennt sie bis dahin nicht. Seit ihrem zweiten Lebensjahr hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihm. Nun stellt sich heraus, dass er gar nicht weit von Köln lebt, wo Kim und ihre jetzige Familie wohnen, und zwar in Duisburg. Er wohnt jedoch nicht in einer richtigen Wohnung oder in einem Haus, sondern in einem abgeteilten Bereich einer Lagerhalle. Diese Halle ist voll mit Markisen aus DDR-Beständen, in zwei altmodischen Designs. Sein „Geschäft“ besteht darin, sie zu verkaufen, zumindest versucht er das seit nunmehr vierzehn Jahren.

Der Roman spielt bereits 2005. Jan Weiler hat es geschafft, sich sehr gut in ein 15-jähriges Mädchen hineinzuversetzen. Auch die Sicht der 32-jährigen Kim, die das alles aus ihrer Erinnerung erzählt, hat er prima hinbekommen.

Natürlich ist Kim zunächst enttäuscht von diesem „Strafurlaub“, aber dann findet sie eine für sie völlig neue Welt, in der sie Freundschaften schließt und vieles dazulernt. Aber nicht nur sie, sondern auch ihr Vater lernt etwas dazu, das ist ihr Verdienst. Es gibt dabei ein Geheimnis, welches es für Kim zu lüften gilt. Ronald Papen, Kims leiblicher Vater, hat früher eine Schuld auf sich geladen. Deshalb durfte er sich all die Jahre nicht bei Kim melden. Es ist spannend zu verfolgen, wie Kim der Sache auf den Grund kommt.

Gewürzt ist das Ganze durch eine Menge feinen Humors. Einiges ist so auch nur 2005 möglich und würde in der Art heute gar nicht funktionieren. Besonders skurril sind manche Begegnungen, die Kim und ihr Vater, als sie gemeinsam auf Markisenverkaufstour gehen, haben. Dabei ist Kim sehr einfallsreich und es ist lustig zu lesen, obwohl ich manche ihrer Verkaufsmethoden recht zweifelhaft finde.

Ernste Fragen nach der Vergangenheit werden natürlich gestellt. Nach und nach werden sie auch beantwortet. Dabei gibt es einigen Stoff zum Nachdenken. Mir hat die ganze Story und auch die Art und Weise, wie sie erzählt wird, sehr gut gefallen – abwechslungsreich von Anfang bis Ende und ich war direkt etwas wehmütig nach der letzten Buchseite.

Ein Knüller ist auch der Ausflug in die DDR-Musik, welche Kims Vater auf seinen Verkaufstouren im Auto immer so gern hört, z. B. „Alt wie ein Baum“ von den Puhdys. Am Ende des Buches findet man sogar eine entsprechende Spotify-Playlist.

Insgesamt ist es eine runde Geschichte, in der mir die Figuren ans Herz gewachsen sind, auch wenn ich nicht für alles Verständnis aufbringen konnte, was sie getan haben. Auf jeden Fall wurde ich super unterhalten.

Etwas Besonderes ist das Design des Buches. Der Umschlag erinnert an das eine der Markisenmodelle, die Kims Vater verkauft, die Umschlaginnenseite an das andere. Das Buch fühlt sich selbst an wie eine Markise.

Fazit: Eine gut erzählte Geschichte die spannend, einfühlsam und humorvoll ist.

Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen.

Details

Autor:Jan Weiler
Titel:Der Markisenmann
Genre:Literatur
Verlag:Heyne
Erscheinungsjahr:2022
Seitenanzahl:336
ISBN:9783453273771

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