Mehr als nur Familiengeschichte – Thriller!
Dieser Roman spielt über eine Zeitspanne deutscher Geschichte, und zwar von der DDR-Zeit in den 70er Jahren, über die Wendezeit 1989 bis heute, ins 21. Jahrhundert, das nun auch schon gut 20 Jahre läuft. Drei Generationen treten dabei auf.
Die heutige Generation besteht aus Milla und ihrem Freund Navid. Milla ist um die Jahrhundertwende geboren. Sie ist eine fröhliche junge Frau. Navid ist ein ehemaliger Flüchtling und lässt sich von Millas Fröhlichkeit immer wieder mitreißen, obwohl er, wie wir später erfahren, auf eine schlimme Vergangenheit zurückblicken muss. Die beiden mochte ich sofort.
Zu Milla gehören ihre Mutter Jola und wiederum deren Eltern Agnes und Franz. Sie kommen aus der DDR und sind 1989 kurz vor deren Niedergang über Ungarn geflohen. Sie alle leben heute in Berlin.
Schnell wird klar, dass es in dieser Familie Geheimnisse gibt, die die älteren Generationen lieber bewahren möchten. Denn während eines Ausflugs, den Milla und Navid mit ihrem Großvater Franz nach Wolfen, in seine „alte Heimat“, machen, begegnen sie einem alten Mann, der behauptet, dass Millas Oma Agnes schuld sei am Tod seiner Frau.
Dieser Roman beschreibt alle drei Generationen gleichberechtig, und das mit sehr viel Feingefühl. Egal, was eine Figur in der Vergangenheit gemacht hat, die Autorin versetzt sich gekonnt in deren Lage. Hier wird nicht einfach ein „Gut-und-Böse“-Bild gezeichnet. Agnes war in der DDR bei der Staatssicherheit und wird trotzdem in erster Linie als Mensch dargestellt, ohne sie zu verteufeln.
Die Unparteilichkeit, die der Autorin hier gelungen ist, finde ich bewundernswert. Darüber hinaus ist der Roman sehr spannend und dabei emotionsgeladen. Immer wieder bekommen wir ein kleines Stück der Wahrheit. Am Ende fügen sich alle diese Teile schlüssig zusammen.
Hinter diesem Buch, durch welches ich beim Lesen recht leicht „geflogen“ bin, steckt eine Menge Arbeit. Die Autorin hat eigene Erfahrungen und die Ergebnisse sorgfältiger Recherche gekonnt miteinander kombiniert. Es wirkt alles sehr realistisch, obwohl es eine fiktive Geschichte ist.
Ein Highlight waren für mich auch die Perspektivwechsel. Sie ziehen sich durch das ganze Buch und passieren jeweils aus der Erinnerung einer Person heraus, angeregt durch bestimmte Situationen oder Wahrnehmungen. Jeweils sofort wird man beim Lesen in die damalige Situation katapultiert. In einem Film würde das Bild verschwimmen und dann diese Szene erscheinen. Ich konnte es mir plastisch vorstellen.
Je weiter ich in diesem Roman gelesen habe, umso mehr fühlte ich mich zu dieser Familie gehörig. Manchmal lief mir auch ein Schauer über den Rücken und es hat sich angefühlt wie ein Thriller. Spannung pur!
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen.
Details
Autor: | Ulla Mothes |
Titel: | Flüchtiges Glück |
Genre: | Sonstige Romane & Erzählungen |
Verlag: | Lübbe |
Erscheinungsjahr: | 2022 |
Seitenanzahl: | 480 |
ISBN: | 9783785727935 |