Der Amerikaner hat’s erdacht und der Russe abgeschrieben! So einfach könnte man es ausdrücken, aber ganz so einfach ist es nicht.
Ich komme auf dieses Thema, weil ich seit etlichen Jahren die Zauberlandreihe von Alexander Wolkow besitze. Ich bin vor ein paar Tagen wieder auf diese Bücher aufmerksam geworden und habe ein wenig darin geblättert. Im fünften Band („Der Gelbe Nebel“) steht eine Widmung von meinem Onkel, der mir dieses Buch 1981 zu Weihnachten geschenkt hatte.
Nun habe ich in Gedanken eine Zeitreise zurück in die 1980er gemacht: In die Kleinstadt in der DDR, wo ich geboren und aufgewachsen bin. Ich sehe mich selbst, wie ich als kleines Mädchen nach eben jenem Weihnachten 1981 dieses Buch lese, es regelrecht verschlinge und voller Staunen die vielen schönen bunten Illustrationen anschaue.
Es ist ein Buch, das es damals nicht so einfach im Buchladen zu kaufen gab. Nur mit Glück, „Beziehungen“ oder mit etwas zum Tauschen kam man an so etwas überhaupt heran. Das galt auch für die anderen Bücher dieser Reihe.
Die wollte ich auch gern haben, fürs erste wenigstens leihen. Zum Glück gab es bei uns eine Kinderbibliothek und die hatten sogar diese Bücher. Es waren ganz alte Ausgaben, sehr zerlesen und die Bilder hatten tiefe Rillen vom vielen Abpausen mittels Bleistift und Butterbrotpapier.
Irgendwann war ich dran und konnte endlich mit dem ersten Band beginnen. Das ist „Der Zauberer der Smaragdenstadt“. Es ist eine „freie Nacherzählung“ des Buches „Der Zauberer von Oz“ des US-Amerikaners Lyman Frank Baum. Damals hatte ich das nicht hinterfragt.
Ein paar Jahre später – ich war eigentlich schon aus dem Alter für die Zauberlandbücher heraus – gelang es mir, zwei weitere Bände der Reihe zu ergattern und kurz nach der Wende fand ich im „Internationalen Buch“ in Berlin plötzlich alle und konnte meine „Sammlung“ komplettieren.
Aber nun, weitere gut 30 Jahre später, als ich „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ von Alexander Wolkow noch einmal gelesen und wieder voller Freude die Bilder betrachtet hatte, wollte ich doch endlich einen Vergleich mit dem „Original“.
Dazu habe ich mir „Der Zauberer von Oz“ besorgt. Ich habe in der Onleihe meiner Bibliothek eine ungekürzte Hörbuchversion gefunden, so konnte ich die Lektüre nebenbei zu Hause beim Putzen, Bügeln und unterwegs genießen.
Es ist fast das gleiche Buch! Die Plots sind vom Prinzip her identisch. Fast jede Figur des einen Buches hat ein Pendant im anderen, oft mit anderem Namen. Die Unterschiede ließen sich nun alle auflisten – ich wette, irgendjemand hat das irgendwo im Internet bereits getan – ich brauche das nicht.
Mir ist aber eine Sache besonders aufgefallen: Die Porzellanstadt aus Baums „Der Zauberer von Oz“ ist in Wolkows „Der Zauberer der Smaragdenstadt“ ersatzlos gestrichen. Ich habe die jedoch ohnehin als überflüssig empfunden, denn sie trägt nichts Wesentliches zur Geschichte bei. Vielleicht hatte Alexander Wolkow das auch so gesehen.
Man kann ihn nicht mehr fragen, denn er lebte schon von 1891 bis 1977, war also bereits tot, als ich damals zum ersten Mal auf seine Bücher stieß.
Lyman Frank Baum lebte noch früher, und zwar von 1856 bis 1919. So konnte er ohnehin nichts gegen Alexander Wolkows „Nacherzählung“ unternehmen. Aber auch wenn eventuelle Nachfahren das gewollt hätten, wäre das durch den Eisernen Vorhang sowieso nicht möglich gewesen. Also Schwamm drüber!
Immerhin hat Alexander Wolkow die fünf Fortsetzungen komplett selbst ausgedacht. Das sind:
- Der schlaue Urfin und seine Holzsoldaten
- Die sieben unterirdischen Könige
- Der Feuergott der Marranen
- Der Gelbe Nebel
- Das Geheimnis des verlassenen Schlosses
Illustriert sind sie alle von Leonid Wladimirski. So schön, dass einem beim Anschauen einfach warm ums Herz wird.
Die Bücher lachen mich alle aus dem Regal heraus an und ich freue mich, demnächst ab und zu zwischendurch eins davon zu lesen und mich zu erinnern.
Zum Original „Der Zauberer von Oz“ gibt es wohl auch etliche Fortsetzungen und sicher auch wunderschöne Illustrationen. Vielleicht schaue ich mir auch mal etwas davon an.
Auch heute werden die Bücher der Wolkow-Reihe noch gedruckt und verkauft.
Es gibt zwar preiswertere Taschenbuchausgaben vom Fischer Verlag, aber die Illustrationen darin sind leider nur in schwarz-weiß.
Vom Leipziger Kinderbuchverlag gibt es Hardcover-Varianten. Bestimmt sind die Bilder darin farbig. Aber da es keine „Blick ins Buch“-Funktion gibt, kann ich es nicht mit Sicherheit sagen.
Ich bin jedenfalls froh, dass ich ältere Ausgaben habe.
Meine Bewertung (für Band 1 von Alexander Wolkow): 4 von 5 Sternen.
Details (Hardcover-Variante vom Leipziger Kinderbuchverlag)
Autor: | Alexander Wolkow |
Titel: | Der Zauberer der Smaragdenstadt Zauberland-Reihe, Band 1 |
Genre: | Fantasy, Märchen, Kinder und Jugend |
Verlag: | LeiV Leipziger Kinderbuch Verlag |
Erscheinungsjahr: | 1991 |
Seitenanzahl: | 182 |
ISBN: | 9783928885058 |
Das Buchcover im Titelbild gehört dem LeiV Leipziger Kinderbuch Verlag.