Ich habe in einem öffentlichen Bücherschrank gekramt. Das mache ich ab und zu gerne. So etwas gibt es in meiner Nähe – untergebracht in einer alten Telefonzelle. Auf der Tür steht, wie es funktioniert: 1. Nimm ein Buch. 2. Bring ein Buch. Das ist alles, ein Ort zum Büchertauschen also.
Man kann dort Bücher für andere hineinstellen oder auch einfach Bücher herausnehmen. Ganz wie man möchte. Ich habe dort schon so manches Schätzchen gefunden, z. B. „Dreifach“ von Ken Follett. Es stammt bereits von 1979 bzw. 1980 in der deutschen Übersetzung. Das abgebildete Buch ist schon die 18. Auflage von 1994. Hier ist meine Rezension dazu:
Agenten-Thriller – super spannend und intelligent.
Wie stiehlt man Uran für eine Atombombe? Es ist 1968. Israel wäre zwar in der Lage, eine Atombombe zu bauen, aber das Problem besteht darin, an das nötige Uran zu kommen. Ein Agent des israelischen Geheimdienstes, Nat Dickstein – gleichzeitig Hauptheld dieses Buches –, soll es besorgen, und zwar so, dass offiziell später niemand dahinterkommt, woher Israel es hat. Das ist schwer, eigentlich unmöglich, denn alle Urantransporte werden von internationalen Gremien genauestens protokolliert.
Dieser Roman ist ein typischer Ken Follet, ein intelligent konstruierter Thriller. Es gibt drei Hauptpersonen, die später zu Gegnern werden. Die lernen wir am Anfang kennen. Dafür springt der Autor zwanzig Jahre zurück. Alle drei – es sind Nat Dickstein, Yassif Hassan und David Rostow (Jude, Araber bzw. Russe) – studieren beim gleichen Professor in Oxford und treffen sich auf einer privaten Feier bei diesem zu Hause.
Nach dieser Rückblende geht es richtig los. Wechselnde Perspektiven, weitere Agenten, natürlich auch Doppelagenten und – nicht zu vergessen – die Chefs der Geheimdienste. Es ist ein Katz- und Maus-Spiel zwischen allen beteiligten Parteien. Es wird nie langweilig. Gegen Ende wird es sehr brutal, aber von solch einem Buch habe ich nichts anderes erwartet.
Wir erleben Nat Dickstein zunächst auf der Suche nach einer Lösung für seine Aufgabe, solch einen groß angelegten Urandiebstahl möglichst unbemerkt über die Bühne zu bringen. Wir schauen ihm regelrecht beim Denken zu. Es wird ein ziemlich komplizierter Plan und es ist mir nicht gelungen, alles von Anfang an zu kapieren. Aber ich denke, genau so hat der Autor es beabsichtigt, denn dadurch wurde es besonders reizvoll. Dazu kamen auch die „Züge“ der anderen, fast wie in einem Schachspiel.
Die anderen Agenten lassen Nat Dickstein nicht so einfach gewähren, sondern schießen auf die eine oder andere Weise quer. Zum Teil ahnen sie, was er vorhat und wollen es natürlich verhindern. Jeder hat seine eigenen Motive, sowohl politische als auch persönliche. Ganz überraschend greift dann noch eine weitere „Partei“ ein.
Moralisch kann ich so ziemlich nichts, was in diesem Buch geschieht, vertreten. Trotzdem muss ich die Genialität von Dicksteins Plan anerkennen und auch die Bemühungen seiner Gegner. Es gibt hier jedoch keine „guten Helden“. Immerhin geht alles bis zum Ende schlüssig auf. So mag ich das.
Nur an einer Stelle kann ich eine Handlung einer Person nicht nachvollziehen. Ich möchte nichts verraten, nur so viel: Es geht um den Professor. Mein Lesevergnügen wurde dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Es ist auch kein wichtiger Aspekt, sondern einfach Geschmackssache.
Dieser Roman ist unheimlich gut konstruiert und sehr fesselnd geschrieben. Ich denke, dass der Autor vorher sehr gründlich recherchiert haben muss, sowohl in politischer als auch in technischer Hinsicht, was Schiffe angeht. So etwas fasziniert und beeindruckt mich immer sehr. Ich habe sogar nebenbei einiges nachgeschlagen, weil mein Interesse geweckt wurde, manches Detail genauer zu erfahren.
Der Nachtrag am Ende des Romans ist eine Meldung aus dem „Daily Telegraph“ vom 7. Mai 1977. In dieser wird der Verdacht über einen Urandiebstahl durch Israel geäußert. Ich kann mir gut vorstellen, dass genau diese Meldung der Ausgangspunkt für Ken Follett war. Er hat sich bestimmt gefragt, wie das gelungen sein könnte und daraus diesen Roman entwickelt.
Aufgefallen ist mir auch, dass die vielen Personen, die in diesem Buch vorkommen, so anschaulich nacheinander eingeführt werden, dass sie für mich immer auseinanderzuhalten waren. Zu viele Personen können Romane manchmal ruinieren. Hier ist es nicht so, ganz im Gegenteil. Außerdem wäre diese Geschichte ohne die vielen Mitstreiter gar nicht denkbar.
Fazit: Sehr spannend geschrieben und geschickt aufgebaut. Und ganz nebenbei habe ich noch ein paar interessante Fakten gelernt. Was will man mehr?
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen.
Details
Autor: | Ken Follett |
Titel: | Dreifach |
Genre: | Krimis & Thriller |
Verlag: | Bastei-Lübbe |
Erscheinungsjahr: | 1983 |
Seitenanzahl: | 464 |
ISBN: | 9783404103218 |
Noch etwas zum öffentlichen Bücherschrank
Solche öffentlichen Bücherschränke gibt es inzwischen fast überall, besonders in großen Städten. So kann man Bücher, die zu Hause nur im Regal verstauben, anderen zur Verfügung stellen und sich dafür andere Bücher aussuchen.
Wenn man nur etwas herausnimmt und nichts dafür hineinstellt, ist das auch OK. Ich habe von dem Bücherschrank in meiner Umgebung den Eindruck, dass die Leute ohnehin mehr hineinstellen als herausnehmen, weil sie zu Hause ausmisten.
Es sind natürlich meistens etwas ältere Bücher, aber ich habe da schon so manch witzige oder spannende Lektüre gefunden. Es ist die Überraschung, die daran so großen Spaß macht.
Ich stelle die Bücher nach dem Lesen bis auf wenige Ausnahmen meistens wieder dorthin zurück. Manchmal kommt man dort auch mit anderen Bücherfans ins Gespräch, so nach dem Motto: Guck mal, ich bringe gerade das hier. War total spannend.
Interessiert? Google einfach mal nach deiner Stadt und nach „öffentliche Bücherschränke“ oder schau in Wikipedia, dort werden Listen gepflegt:
Liste öffentlicher Bücherschränke in Deutschland (Wikipedia)