Was erwarte ich von einem Thriller? Sieben Dinge:
- Er muss mich sofort packen.
- Er muss spannend aufgebaut sein, idealerweise mit schnellen Szenenwechseln, und einige Rätsel bereithalten.
- Der Schreibstil sollte klar, schnörkellos und kraftvoll sein.
- Es sollte einige Wendungen (Twists) geben, die möglichst nicht vorhersehbar sind.
- Die handelnden Personen – sowohl „Helden“ als auch „Bösewichte“ – sollten markant und interessant sein.
- Es sollte ein Ende mit Aha-Effekt geben.
- Alles sollte dabei schlüssig und logisch sein.
Das ist die Messlatte, die ich angelegt habe.
Das Ergebnis meiner „Messung“
Zu 1: Packend?
Es geht gleich interessant los mit einer Art Prolog aus der Vergangenheit. Eine junge Frau, Cornelia Sternberg, ist im Begriff sich mit jemandem zu treffen, um Klarheit zu gewinnen. Wir erfahren nicht, mit wem und worüber. Sondern nur, dass sie Geheimnisse hat, und zwar unter anderem: Wer der Vater ihres kleinen Babys – der gehörlosen Lilli – ist.
Neunzehn Jahre später geht es weiter, und zwar damit, dass eben jene Lilli Sternberg, inzwischen eine junge Frau, vermisst wird. Später erfahren wir auch, dass ihre Mutter – eben jene Frau aus der ersten Szene – damals (wahrscheinlich?) erschlagen wurde. So ist Lilli bei ihren Großeltern aufgewachsen. Ihr Opa war damals Bürgermeister des kleinen Ostsee-Ortes, wo das Ganze hauptsächlich spielt.
Mein Urteil zu Punkt 1: Ja, ich war gleich gepackt.
Zu 2: Aufbau?
Die einzelnen Kapitel sind sehr kurz. Die Szenen wechseln schnell und es gibt den einen oder anderen Mini-Cliffhanger, der ein paar Kapitel später aufgelöst wird, z. B. dass eine Frau einen Schreck bekommt, weil sie etwas sieht. Was das ist, wird dann später erwähnt. Ich mag so etwas sehr.
Mein Urteil zu Punkt 2: Prima!
Zu 3: Schreibstil?
Der Schreibstil ist sehr klar mit lebendigen Dialogen und prägnanten Beschreibungen der Umgebung. Mein Lieblingsbeispiel zu letzterem: „Der Wind hatte Löcher in die Wolken gerissen, vereinzelte Sonnenstrahlen stießen wie Dolche in den Wald.“
Mein Urteil zu Punkt 3: Sehr gut!
Zu 4: Twists?
Es gibt tatsächlich einige Twists, die ich nicht erwartet hätte. Genauer kann ich nicht darauf eingehen, dann würde ich zu viel verraten.
Mein Urteil zu Punkt 4: In Ordnung.
Zu 5: Personen?
Die Haupthelden: die Polizisten Mascha Krieger und Tom Engelhardt sind mir sehr sympathisch. Für meinen Geschmack gerade markant genug. Einen Tick mehr und ich hätte sie als „durchgeknallt“ empfunden. Jedenfalls haben sie mein Interesse gleich von Anfang an geweckt. Zu Bösewichten kann ich bisher noch keine wirkliche Meinung haben – siehe Punkt 6. Ich habe hier nur den Eindruck gewonnen, dass fast jeder im Ort irgendeine „Leiche im Keller“ hat. Das macht jeden interessant.
Mein Urteil zu Punkt 5: In Ordnung.
Zu 6: Ende mit Aha-Effekt?
Gibt es leider nicht, allenfalls ein paar kleine Mini-Aha-Effekte, die ich als „an der Oberfläche gekratzt“ empfinde. Das Buch ist zu Ende, bevor alles endgültig aufgeklärt ist. Es gibt zwar einen gewissen Stand, der auf Indizien beruht, aber der ist unbefriedigend.
Mein Urteil zu Punkt 6: Durchgefallen!
Zu 7: Schlüssig und logisch?
Immerhin kann ich bisher keinen echten Widerspruch entdecken. Aber insgesamt ist noch zu viel offen, um in diesem Punkt ein Urteil zu fällen.
Mein Urteil zu Punkt 7: Offen.
Was ist das Problem bei diesem Buch?
Ganz einfach: Die Bezeichnung „Thriller“!
Das Buch wird als erster von drei Thrillern der packenden Ostsee-Trilogie „Der Strand“ angepriesen.
Das ist falsch! Es ist nur der erste Teil eines in drei Bücher zerlegten Thrillers.
Das ist schade und hat mich einerseits ein wenig enttäuscht.
Andererseits stelle ich mir die Frage: Hätte ich nach der Leseprobe, die ich vorher hatte, das ganze Buch auch dann lesen wollen, wenn ich gewusst hätte, dass es ein nicht eigenständiger erster Teil ist?
Meine Antwort: Ja!
Warum? Eben weil es so spannend und fesselnd ist und ich mir die Personen sofort gut vorstellen konnte. Sauer wäre ich nur, wenn es nur dieses eine Buch geben würde und das dann kein schlüssiges Ende hätte.
So ziehe ich aufgrund der „Täuschung“ nur einen Stern ab, womit es noch ein „sehr gut“ als Urteil behält.
Die nächsten beiden Teile setze ich auf meine (Wunsch-)Liste zu Bücherserien und dann weiß ich ja, dass mich eben nur Teile und keine eigenständigen Thriller erwarten.
Meine Bewertung: 4 von 5 Sternen.
Details
Autor: | Karen Sander |
Titel: | Der Strand: Vermisst Band 1 von 3 (Trilogie „Der Strand“) |
Genre: | Thriller |
Verlag: | Rowohlt Taschenbuch (rororo) |
Erscheinungsjahr: | 2022 |
Seitenanzahl: | 400 |
ISBN: | 9783499008054 |
Anmerkung: Das Cover im Titel stammt vom Rowohlt-Verlag.
Auf anderen Buchblogs
- [Rezension] Karen Sander – Der Strand – Vermisst (Laura von Eden)