Roman über Mütter und Töchter.
So ist dieser Roman untertitelt.
Worum geht es?
Zunächst wie immer die Kurzbeschreibung vom Verlag:
Regina ist eine typische Vertreterin der Nachkriegsgeneration, sie hatte bereits viele Möglichkeiten, sie konnte Psychologie studieren und von einer akademischen Laufbahn träumen, um dann doch der Familie zuliebe Abstriche zu machen. In ihre Töchter Antonia und Wanda setzt sie nun alle Hoffnungen. Antonia unterläuft diese konsequent, bricht ihr Studium ab und wird alleinerziehende Mutter. Wanda erfüllt alle in sie gesetzten Wünsche und manövriert sich in eine Essstörung, die von allen ignoriert wird. Ein Leben lang schwanken die Schwestern zwischen gegenseitiger Konkurrenz, Autonomie und dem Wunsch, noch über deren Tod hinaus von der Mutter anerkannt zu werden.
Meine Eindrücke
Als ich die Kurzbeschreibung gelesen hatte, fragte ich mich: Interessiert mich das wirklich? Aber dann habe ich kurz hineingelesen und war sofort gefesselt. Schon von der ersten Szene an, in der die Autorin alle drei Hauptpersonen, Regina und ihre Töchter Antonia und Wanda, auftreten lässt, hat mich das Buch nicht mehr losgelassen.
Das Ganze beginnt mit der feierlichen Abiturveranstaltung der älteren Tochter Antonia. Aber nicht Antonia, sondern ihre Mutter Regina steht im Mittelpunkt. Gleich von Anfang an ging mir zu Regina durch den Kopf: Wie kann man denn nur so sein?! Sie ist eine Person, die sich wohl für den Mittelpunkt des Universums hält. Unzufrieden und missgünstig. Niemanden kann sie wirklich leiden. Mir tun solche Personen eigentlich nur leid, denn können die überhaupt positive Gefühle empfinden? Bezeichnender Weise ist diese toxische Frau auch noch Psychologin…
Danach lernen wir gleich die beiden Töchter Antonia und die ein Jahr jüngere Wanda kennen. Antonia wird immer etwas benachteiligt von Regina behandelt, denn deren Lieblingstochter ist Wanda. Antonia weiß das und geht erstaunlich gelassen damit um. Sie findet Halt bei ihrer besten Freundin und wohl auch durch eine Art Schutzdistanz, die sie zu ihrer Mutter Regina aufzubauen scheint – zumindest in jungen Jahren.
Wandas größte Sorge besteht darin, unbedingt immer die Anforderungen ihrer Mutter zu erfüllen. Das scheint bei ihr so zur Gewohnheit geworden zu sein, dass sie sich zur regelrechten People Pleaserin entwickelt. Ich hätte sie am liebsten manchmal einfach nur geschüttelt.
Trotz allem kann ich auch Regina manchmal verstehen – wenn auch nur sehr selten. Das heißt ja nicht, dass ich sie mögen muss.
Am sympathischsten von allen ist mir immer noch Antonia, und später deren Tochter Celina, über die ich nur gestaunt habe, wie sie mit Menschen, vor allem mit ihrer Oma Regina, umzugehen versteht.
Der Roman spielt in drei Teilen zwischen denen jeweils einige Jahre liegen. Das macht ihn besonders interessant, denn so lassen sich die Entwicklungen der einzelnen Figuren schön beobachten. Dabei gibt es einige Überraschungen.
Die Autorin schafft zu jeder Situation, diese in sehr passenden Sprachbildern meistens in Form von Dialogen und Gedanken darzustellen. Hier nur ein Beispiel aus dem dritten Teil:
„Wie war denn euer Urlaub, Mama?“, fragte Antonia in geduldig-duldendem Tonfall.
„Sehr schön, sehr schön. Sehr kalt. Wanda sah super aus, aber sie muss aufpassen, bei einer normalen Schwangeren wäre es ja egal, aber wenn sie auf ihrem Blog noch Fotos von sich posten will, dann sollte sie nicht mehr so schnell zunehmen. Und sie wird auch faul. Ich sehe sie schon in Zehlendorf sitzen, Beruf Gattin. Ihr Blog wird auch immer nichtssagender.“
Abstrakt, dachte Antonia. Was sie mir hier von Wanda erzählt, ist alles irgendwie abstrakt. Ich weiß noch immer nicht, wie der Urlaub war, wie es Mama geht und wie Wanda. Mama legt immer einen Standard fest, wie bei einer Maßtabelle, und entweder man passt da rein oder nicht. Und wenn wir Idealmaße haben, machen wir sie glücklich.
Noch ein Wort zum ungewöhnlichen Titel des Buches: Dieser hat große Symbolkraft. Ein Kapitel weiter hinten im Buch trägt genau diese Überschrift: „Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen“. Darin geht es um eine Beobachtung von Regina in einer besonderen persönlichen Situation. Näheres kann ich nicht sagen, ohne zu spoilern.
Fazit
Mich hat dieses Buch sehr begeistert, vor allem wie die Autorin diese doch etwas schwierige Thematik umgesetzt hat.
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen.
Details
Autor: | Anna Brüggemann |
Titel: | Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen |
Genre: | Literatur |
Verlag: | Ullstein |
Erscheinungsjahr: | 2024 |
Seitenanzahl: | 384 |
ISBN: | 9783550202216 |
Das Buchcover im Titelbild gehört dem Ullstein-Verlag.