Ginsterburg | Arno Frank

Dieses Buch wird im Februar 2025 erscheinen. Ich durfte es schon vorab lesen.

Angekündigt ist es mit „Der große Roman von Arno Frank über Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten“.

Eigentlich hatte es mich nicht interessiert, aber dann hatte ich kurz mal hineingelesen und war so gefesselt, dass ich doch nicht daran vorbeigekommen bin.

Worun geht es?

Hier die Kurzbeschreibung vom Verlag:

Nach der Machtergreifung ist in Ginsterburg ein neuer Alltag eingekehrt. Manche Einwohner der kleinen Stadt leiden, andere profitieren – und die meisten versuchen, sich mit der neuen Ordnung zu arrangieren. Allmählich aber öffnet sich unter dem Alltag der Abgrund. Ein feinfühliger und atmosphärischer Roman über Liebe, Familie, Freundschaft – und persönliche Verstrickungen in den Jahren 1935 bis 1945.

Lothar träumt vom Fliegen. Eben noch ein kleiner Junge, kann seine Mutter Merle nur ohnmächtig zusehen, wie sein Traum von der Freiheit ihren Sohn in die Arme der Hitlerjugend treibt. Eine neue Zeit ist angebrochen. So sehr Merle ihr auch misstraut, kann sie ihr doch nicht entkommen – nicht in ihrer Buchhandlung, nicht in den Gesprächen mit Eugen, dem Feuilletonisten der Lokalzeitung von Ginsterburg. Doch während die einen verstummen und einige sich langsam korrumpieren lassen, verstehen andere es, die neue Machtverteilung zu ihren Gunsten zu nutzen. Blumenhändler Gürckel schwingt sich zum Kreisleiter auf, Fabrikant Jungheinrich macht beste Geschäfte, und auch der Arzt Hansemann wittert völlig neue Möglichkeiten. Im Lichtspielhaus spielt weiter Heinz Rühmann, über den Nürburgring schießen Runde für Runde die Silberpfeile. Doch der Krieg, an fernen Fronten geschlagen, ist bald auch im Mikrokosmos der Stadt zu spüren, in den erschütterten Beziehungen und Seelen der Menschen. Und über allem schwebt ein britischer Bomberpilot, der sich dem einstmals beschaulichen Ginsterburg unaufhaltsam nähert.

Meine Eindrücke

Im ersten Absatz der Ankündigung steht „atmosphärischer Roman“. Es scheint sich irgendwie als eine Art Mode durchgesetzt zu haben, Literatur als „atmosphärisch“ zu bezeichnen. So etwas habe ich schon öfter gelesen.

Da habe ich mich gefragt: Was soll das sein?

Vielleicht ist damit gemeint, dass alles so beschrieben ist, dass man sich in seinem Kopfkino genau an den Ort des Geschehens versetzt fühlt und irgendwie fühlt, dass etwas regelrecht in der Luft liegt, irgendein Unheil oder sonstige Überraschungen.

Wenn das so ist, dann kann man diesen Roman durchaus als atmosphärisch bezeichnen.

Überhaupt lief mein Kopfkino einerseits von Anfang an auf vollen Touren mit. Aber andererseits blieben immer einige Details unausgeführt, so dass ich mir meine eigenen Vorstellungen dazu machen konnte.

Die Konzeption empfinde ich als sehr gelungen. Damit meine ich zum einen die Aufteilung in die drei Teile jeweils im Abstand von fünf Jahren und innerhalb jedes dieser Teile die geschickten Wechsel und Cliffhanger. Zum anderen, wie der Autor Fiktion und Fakten miteinander verwoben hat. Ginsterburg ist eine ausgedachte Kleinstadt und die meisten der Protagonisten darin auch. Zwischendrin wird das Ganze durch echte Gesetze aus der Zeit des Nationalsozialismus ergänzt und auch die eingefügten Briefe vom realen Luftfahrtingenieur Erich Bachem an seine Frau passen sehr gut dazu. Den Piloten Lothar Sieber gab es tatsächlich und hier hat der Autor den gelungenen Kunstgriff getan, ihn im ausgedachten Ginsterburg aufwachsen zu lassen. So wird diese Figur zu einer Art Verbindung zwischen Realem und Fiktionalem.

Den abgeschossenen Piloten Alfie und was ihm so durch den Kopf geht, was als Motiv zwischendrin immer wieder auftaucht fand ich zwar auch ganz spannend. Aber meiner Meinung nach hätte nichts gefehlt, wenn der weggelassen worden wäre.

Die Protagonisten waren alle für mich zum größten Teil greifbar und nachvollziehbar, bis auf wenige Ausnahmen. Ein Beispiel für eine Ausnahme ist Uta. Ihr Mann Theo wird, weil er Jude ist, abgeholt und weggesperrt. Sein weiteres Schicksal wird nicht explizit ausgeführt, aber Uta verdrängt das, geht ihren Restaurierungsaufträgen nach und spricht immer wieder in ihrer Fantasie mit Theo. Mag sein, dass das so ist, weil sie durchdreht, aber so ganz glaubhaft ist dieses Konstrukt für mich nicht.

Auch die seltsamen Kreuz- und Querbeziehungen halte ich für etwas übertrieben. Die Figur der Henriette (Otto Gürckels Frau) halte ich dabei für etwas „drüber“. Die Sache mit Merle und Eugen hätte „als Würze“ meiner Ansicht nach ausgereicht.

Trotzdem habe ich den Roman ziemlich verschlungen, habe mich sehr gut unterhalten und zum Nachdenken angeregt gefühlt.

Meine Bewertung: 4 von 5 Sternen.

Details

Autor:Arno Frank
Titel:Ginsterburg
Genre:Historischer Roman
Verlag:Klett-Cotta
Erscheinungsjahr:2025
Seitenanzahl:448
ISBN:9783608966480

Das Buchcover im Titelbild gehört dem Verlag Klett-Cotta

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