Das Jahr neigt sich dem Ende zu und ich habe hier noch ein Buch gefunden, das ich zu meinen Highlights 2023 zähle. Es ist eine außergewöhnliche Geschichte über einen Postboten. Unheimlich mitreißend geschrieben.
Worum es geht
Ich beginne wie immer mit der Kurzbeschreibung vom Verlag:
Walter ist Postbote und ziemlich gut darin, sich unbeliebt zu machen. Mit knapp sechzig wird er schließlich in die Abteilung für unzustellbare Briefe strafversetzt: in die Christkindfiliale der Post in Engelskirchen. Natürlich ist niemand schlechter für den Job geeignet als er.
Eines Tages erreicht ihn ein Schreiben an den lieben Gott. Es stammt vom zehnjährigen Ben. Er will weder Handy noch Playstation, sondern nur wissen, wie man einen Klempner ruft. Walter antwortet vage und bekommt einen zweiten Brief, in dem Ben den lieben Gott ganz schön zusammenfaltet: Warum hilft er ihm nicht?
Walter beginnt einen Briefwechsel mit Ben – selbstverständlich als Gott. Er erfährt immer mehr über das Leben des Jungen, der allein mit seiner depressiven Mutter lebt. Mehr als alles andere wünscht Ben sich einen Freund. Unterdessen naht Weihnachten, und Walter ist mit seinem eigenen Familiendrama beschäftigt: Die Beziehungen zu seinen Kindern sind kompliziert, geschieden ist er lange schon, und da ist diese schwere Schuld aus seiner Vergangenheit, die ihm einfach keine Ruhe lässt. Vielleicht kann Walter ja Ben helfen – und Ben Walter?
Meine Eindrücke
Dieser Walter ist ein ziemlicher Griesgram, aber trotzdem war er mir von Anfang an sympathisch. Es beginnt mit der Geschichte, wie es zu Walters Strafversetzung kam. Die ist recht witzig erzählt, obwohl sie für die Beteiligten alles andere als lustig ist.
Es geht dabei um einen Kleinkrieg mit einem Nachbarn, der damit begann, dass der Nachbar Walter mit dem Auto bei ziemlichem Matschwetter von oben bis unten vollgespritzt hatte und es nicht für nötig hielt, sich zu entschuldigen, sondern im Gegenteil ignorant bis fast schadenfroh reagierte.
So folgten wechselseitig kleine und dann langsam größer werdende Gemeinheiten, bei denen ich die von Walter jedoch nicht so schlimm fand wie die des anderen Typen. Ich muss zugeben, dass ich dabei voll auf Walters Seite war.
Als der Nachbar dann gesundheitliche Probleme bekam, war es Walter, der einen Rettungswagen rief und den vernünftigen Vorschlag machte, damit aufzuhören. Der andere Typ war jedoch so hinterhältig, einen Anwalt einzuschalten, der sich an Walters Arbeitgeber, den Postkonzern, wendete.
So nimmt die Geschichte ihren Lauf und Walter kommt zu seiner Strafversetzung in die Christkindfiliale. Auch da eckt er wieder mit der Vorgesetzten an. Trotzdem finde ich seine Sicht der Dinge völlig plausibel. Er hat einen unheimlichen Gerechtigkeitssinn und eine Menge gesunden Menschenverstand.
Im Laufe des Romans lernen wir durch Rückblenden Walters Hintergrundgeschichte kennen. Sein Problem ist, dass er seinen eigenen Kopf zu wenig durchsetzt. Für seine Familie gibt er sogar seinen größten Traum auf.
Die in der Kurzbeschreibung erwähnte Schuld, die er auf sich geladen hat, ist nicht so, wie alle denken, und er kann es nicht beweisen. Seine Familie zerbricht und er schleppt sein ganzes Leben damit herum.
Deshalb sind Walters Bemühungen, dem kleinen Ben zu helfen, besonders rührend. Vielleicht sieht er in diesem Jungen zum Teil sein jüngeres Ich.
Andreas Izquierdo hat durch seinen Erzählstil diesen Walter wirklich zum Leben erweckt. Beim Lesen war mir, als würde ich alles durch die Augen des Protagonisten sehen.
Ich bin nur so durch die 400 Seiten geflogen. Die Auflösung oder besser Auflösungen waren für mich sehr unerwartet, aber ich fand sie absolut passend. Ich möchte nichts verraten, deshalb keine weiteren Ausführungen dazu.
Ich denke, dass ich bestimmt noch mehr Bücher von Andreas Izquierdo lesen werde.
Meine Bewertung: 5 von 5 Sternen.
Details
Autor: | Andreas Izquierdo |
Titel: | Kein guter Mann |
Genre: | Literatur |
Verlag: | Dumont |
Erscheinungsjahr: | 2023 |
Seitenanzahl: | 400 |
ISBN: | 9783832168179 |
Das Buchcover im Titelbild gehört dem Verlag Dumont.